Ein Akt des Anstandes!

18.11.2013 16:37
In einer Zeit, als die "Moralische Aufrüstung" grosse Teile der Schweizer Bevölkerung zu erfassen drohte, zwei Jahre nach Ende des zweiten Weltkrieges, geschah es, dass einer jungen Mutter das frisch geborene Baby entrissen wurde. Denn sie hatte gesündigt! Als sie von ihrer Arbeit nach Hause kam, fand sie die Wiege leer vor. Sie verdiente es nicht, ihren Sohn, den sie neun Monate im Bauch getragen hatte, gross zu ziehen. Der Pfarrer der Diasporagemeinde der evangelischen Kirche von Lugano und die Behörden der Stadt wollten es so. Kein juristisches Gutachten, keine rechtskräftige Verfügung und keine Anhörung waren nötig! Zurück blieb eine verzweifelte Mutter die ohne Vorwarnung ihren eben geborenen Buben verloren hatte. Und zurück blieb ein Bub, dem eine lange Heimkarriere bevorstand. Tausenden von Müttern, die unehelich geboren hatten, erging es so. Und tausende von Buben und Mädchen verschwanden deswegen für die Zeit ihres Kindlebens in Heimen. Alle schauten sie weg! Keine Gesetze schützten die Verzweifelten. Heute, wo es darum geht, das Unrecht zu benennen und rasche materielle Hilfe für die noch lebenden Heim- und Verdingkinder zu sprechen, sind plötzlich juristische Gutachten, Bundesrätliche Botschaften und parlamentarische Absprachen nötig. Denn, sie verstehen..., alles muss seine rechtsstaatliche Ordnung haben. Nun weiss man aber, wie langsam die Mühlen in den Verwaltungen drehen und wie schwerfällig der politische Prozess in Bern funktioniert. Es ist zu befürchten, dass bis zu einer austarierten Entscheidung, auch die heute noch lebenden, betagten und bedürftigen Opfer gestorben sind. Wie wäre es, wenn man hierfür die prall gefüllten Schatullen der Lotteriefonds der Kantone öffnen würde? Der dafür notwendige politische Entscheidungsweg wäre kurz, das Resultat aber nachhaltig. Und wer weiss, vielleicht tun dann die Kirchen und die Verbände auch, was von ihnen schon längst erwartet wird, nämlich nicht nur reden, vergeben und sich entschuldigen, sondern auch Handeln! Denn das wäre nichts weniger als ein Akt des Anstandes!