Gleichgewicht - Balance! Editorial, geschrieben für das Themenheft 2013 der Stiftung Hirslanden, Sozialpädagogisches Zentrum für junge Frauen, Zürich.

28.09.2013 15:03

 

Es gibt hunderte von Büchern darüber, wie man ein Leben im Gleichgewicht führen soll. Und doch gibt es eine Lebenszeit, in der man getrost all die gut gemeinten und wohl auch gescheiten Ratschläge ignorieren und in den Wind schlagen darf. Ich spreche vom Ungleichgewicht in der Lebensphase der Adoleszenz. Denn in dieser Zeit der Unreife schlägt das Pendel wild um sich. Es lotet alle Unwägbarkeiten aus, die ihr das Leben bietet. Nichts an Provokationen lässt sie aus, diese Adoleszenz, denn sie darf nicht, sie muss dem reifen Gegenüber die Stirn bieten. Die Adoleszenz kennt keine Gnade. Sie fühlt sich Erhaben über allem, sie ist Königin. Und Königinnen lassen sich nicht tadeln, nicht belehren und schon gar nicht zur Vernunft bringen. Fragt man die Adoleszenz später, wie sie sich anfühlte, diese Zeit des Ungleichgewichtes, sie kennt keine Antwort und das ist gut so. Denn wüsste sie um ihren Zustand, um ihren unmöglichen und zuweilen lächerlichen Tanz um Wahrheit und Gerechtigkeit, sie könnte nicht mehr sein was sie ist. Sie würde krank. Und das wäre für das menschliche Fortkommen fatal. Denn Adoleszenz heisst Fortschritt! Adoleszenz heisst Innovation! Sie - die Adoleszenz - ist es, die mit ihrem bewegten Ungleichgewicht das Rad der Zeit am Laufen hält. Wir würden ohne sie allesamt erkalten und erstarren. So seien wir, die Beherrschten, die Gelassenen, die Ausgeglichenen, dieser Adoleszenz also dankbar. Denn ohne die eigene gelebte Adoleszenz hätte wir unser Gleichgewicht niemals gefunden.