Rafael Lutz: Heisse Fäuste im kalten Krieg

16.12.2019 16:35

Am 11. August 1957 stand an der Leuchtwand am Bahnohfplatz in Zürich zu lesen: "Die Schweizer Moskauwallfahrer kommen heute Abend um 22.25 in Zürich an. Wie wird sie die Zürcher Bevölkerung empfangen? " Gemeint war eine Gruppe von Schweizerinnen und Schweizern, die von den Weltfestspielen der Jugend und Studenten aus Moskau zurückkehrten. Gegen sie wurde schon im Vorfeld gehetzt, auch in den Medien. Und so erwarteten sie am Bahnhof Enge Hunderte von Demonstranten, um den "Landesverrätern" eine Lektion zu erteilen. Die Situation eskalierte, die Rückkehrer wurden angegriffen, verprügelt und mit Waffen bedroht.

Rafael Lutz hat diese Ereignisse - das in der Schweizer Geschichtsschreibung bisher höchstens eine Fussnote wert war - systematisch aufgearbeitet. Es steht sinnbildlich für den damals in der Schweiz herrschenden Antikommunismus, der Ausbruch von Gewalt zeugt von der stetig wachsenden Angst vor der totalitären Sowjetunion hinter dem eisernen Vorhang und derer fünften Kolonne im eigenen Land. Der Vorfall illustriert aber auch, wie der Kampf gegen dieses vermeintlich Böse immer mehr auf Kosten der Freiheit der eigenen Bevölkerung geführt wurde.

 

Limmat Verlag, 2019